Man stelle sich die folgende Situation vor. Bei dem Versuch die Frontscheibe des Automobils zu säubern, betätigt man den Scheinwischer und besprüht dabei die Scheibe.
Der Scheibenwischer funktioniert zwar, aber es kommt kein Wasser auf die Scheibe. Mögliche Ursachen können sein, dass der Wasserbehälter leer ist, die Wasserschläuche lecken oder die Düsen von Dreck verstopft sind. Ein schlimmer Fall ist ein Riss im Wasserbehälter und am schlimmsten, weil am teuersten, wäre eine defekte Pumpe.
Den Wasserstand prüfen, die Schläuche untersuchen und mit einer Stecknadel die Düsen freistechen kann man selbst. Die Pumpe gibt bei der Betätigung des Scheibenwischerhebels noch Geräusche von sich. Aber es kommt kein Wasser. Es kann also nur eine Kleinigkeit sein – aber welche?
Ich fahre in die Werkstatt. Ich schildere den Fall. Der Gesichtsausdruck des Fachmanns verblüfft mich. Nimmt er mich nicht ernst oder erkennt er die Katastrophe, vor der ich noch nichtsahnend stehe?
„Dieses Phänomen kenne ich nicht. Hatten wir noch nie.“ Dabei hantiert er am Hebel und unter der Haube.
„Ich könnte jetzt nochmal mit einer feinen Nadel…“, — — „…das habe ich doch bereits getan.“
„Tja, können Sie den Wagen hierlassen?“
„Und was werden Sie dann machen?“
„Wir werden zuallererst auf jeden Fall die Fahrertür ausbauen, damit man besser an den Wischerhebel kommt.“ Nun scheint ihn jedoch mein Gesichtsausdruck zu befremden. Aber er bleibt sachlich kühl und fährt fort.
„Dann werden wir den Wagen auf die Bühne stellen, die Räder demontieren und das Getriebe samt Auspuff und Katalysator ausbauen. Wir werden dann nachschauen, ob die Wasserleitungen eventuell vom Bremspedal gequetscht werden. Wir müssen ja ausschliessen, dass wir gegebenenfalls die Karosserie vom Fahrgestell abheben müssten. Das wäre ungünstig, weil …“
Die Geschichte erscheint unglaubwürdig? Das kann sein. Sie ist mir gestern auf dem Rückweg von einer Spezial-Werkstatt eingefallen.
Letzthin wurde der Kauf eines neuen Notebooks fällig. Eines neuen gebrauchten Notebooks versteht sich Das alte Maschinchen hatte viele Jahre treue Dienste geleistet. Eine Aufrüstung (was für ein Wort in diesen Zeiten) auf ein moderneres Betriebssystem war aufgrund der vorhandenen Kapazitäten nicht möglich. Im nächsten Computerladen wurden wir fündig. Ein generalüberholtes Markengerät zum vernünftigen Preis. Zuhause die üblichen Zeitinvestitionen in die Individualisierung des neuen Notebooks stecken.
Vor einigen Tagen begann das Ärgernis, das viele Menschen kennen, die ihr Notebook mit einer extern angeschlossenen Maus betreiben. Beim Schreiben eines Textes springt der Mauszeiger plötzlich an eine andere Stelle im Text.
Das Phänomen ist bekannt und in verschiedenen Foren findet man unterschiedliche Lösungsvorschläge. Die meisten fnktionieren gut. Meiner Erfahrung nach deaktiviert man das Touchpad des Notebooks in solchen Fällen. Das geht, wenn man weiss wo und wie, ziemlich rasch.
Also kein grösseres Problem – oder doch?
Bei dem zur Rede stehenden Notebook gelangt man, wie gehabt zu dem Fenster, in dem die Eigenschaften des Touchpads angezeigt werden. Dort befindet sich die Schaltfläche zum aktivieren bzw. deaktvieren des Touchpads. Äääähhh ??? Wieso fehlt hier im Fenster diese Schaltfläche?
Also ab ins Internet und in die Foren. Dieser spezielle Fehler mit der fehlenden Schaltfläche scheint eher selten zu sein. Es sind keine Lösungsansätze zu finden. Man könnte das Touchpad natürlich komplett weglöschen und deinstallieren. Und was, wenn man mal unterwegs das Notebook doch mal nutzen möchte? Das ist eher unwahrscheinlich; trotzdem. Man vertut sich vielleicht eine Möglichkeit. Überdies bin ich grundsätzlich vorsichtig mit vorschnellem löschen und deinstallieren.
Nach dreistündigem Suchen und Fluchen beschliesse ich, in den Computerladen zu fahren, um dort Rat zu holen.
Spätestens jetzt erinnern Sie sich bitte an die Geschichte von der Scheibenwischanlage oben. In Kürze ergab sich folgendes Gespräch.
„Diesen Fehler gibts doch garnicht.“ Es kostete einige Überredung, dass man im Notebook selbst nachschaute und sich von der fehlenden Schaltfläche überzeugte. Und noch mehr Überredung, mal einen Text zu tippen.
„SO einen Fehler haben wir noch nie gehabt.“
„Und warum sind dann Foren voll von Fragen und Lösungsvorschlägen zu diesem Thema?“
Und nun begeben wir uns in die fiktionale Autowerkstatt.
„Mein Vorschlag, bot der Fachmann an, „Sie lassen das Notebook hier. Wir machen eine komplette Sicherung aller Ihrer Daten, bauen die Festplatte aus, bauen eine andere Festplatte ein, spielen evetuell auch ein anderes Betriebssystem auf und prüfen dann alles. Taucht der Fehler dann erneut auf, tauschen wir noch das Touchpad. Dann alles retour; wir bauen Ihre Festplatte wieder ein und spielen alles wieder auf und fertig.“
„Sie haben aber eben gesehen, dass das Touchpad einwandfrei funktioniert? Zudem möchten wir es lediglich deaktivieren.“
„Das kann ja sein, dass es funktioniert, aber warum sind Sie dann gekommen?“
„Weil wir das Touchpad deaktivieren wollen und die entsprechende Schaltfläche fehlt.“
„Es ist aber doch sowieso viel praktischer, mit dem Touchpad zu arbeiten.“
An diesem Punkt wurde mir klar, dass ich jetzt und sofort diese Veranstaltung verlassen musste. Erinnerungen an meine ersten Jahren mit Computern und dem Umgang mit den sich so gebenden Spezialisten tauchten ungut auf. Ich will sofort zurück in die Gegenwart. Bei fast allen mir jemals bekannt gewordenen Computerhandwerkern ist deren Denken maximal auf null-eins oder on-off programmiert. Problemlösungsphantasie? – weit gefehlt! Welch ein Unterschied zu den Anwendern, die tagtäglich mit ihren Maschinen arbeiten müssen.
Was war mir denn in den vergangenen fünfzehn Miunten widerfahren?
Ich stand an einer roten Ampel und wartete auf grünes Licht. Dabei fiel mir die Geschichte mit der Autowerkstatt ein. Dort kann man zwar auch allerhand erleben aber solch einen Irrsinn kaum.
Zuhause ist man inzwischen nicht müssig gewesen. Weitere Foren sind durchsucht worden. Ein Beiträger hat nach langem Suchen offenbar selbst eine praktikable Lösung gefunden.
Wir tauchen ab in die Registratur (nur machen, wenn man weiss, was man da tut!) und suchen die Eintragungen für das Touchpad. Dort tauschen wir den Zahlenwert 11 auf die von dem Poster angegebene 33.
Wir schliessen die Fenster und warten auf das Fenster mit der Aufforderung zum Neustart des Computers. Eine bange Sekunde. Nichts passiert. Wir fahren die Maschine runter und starten sie dann neu.
Das Touchpad reagiert nicht mehr auf entsprechende Berührungen. Schnell weiterklicken bis zum Fenster mit den Eigenschaften für das Touchpad. Sieh´ da – die schmerzlich vermisste Schaltfläche zum aktivieren und deaktivieren des Touchpads ist wieder da.
Der Rest ist gimme five und ein Störtebeker zum Feierabend.
Eine Zeit lang habe ich einem körperlich sehr beeinträchtigten jungen Mann als Studienassisstent beigestanden. Er studierte Medieninformatik. Ein relativ neues Studienfach, von dem Spötter behaupten, es sei für Studierende, die in Mathe zu schwach für Informatik und zu wenig kreativ für Grafik/Design seien. Mir ist aufgefallen, dass ausnahmslos alle Dozenten vom Spielen herkamen. Sie sind seit ihrer Jugend Spieler gewesen. Atari, Commodore oder Sinclair waren Namen, die häufig genannt worden sind. Maschinen, auf denen sie spielten und bald auch eigene Programme entwarfen zum Spielen.
In den ersten beiden Semestern waren den Studierenden die meisten Aufgaben im Umfeld von Spielen gestellt. Da ich als Begleiter eine Ausnahme im alltäglichen Studienbetrieb gewesen bin, nutzten die Dozenten Freiräume zwischen den Übungen für Gespräche mit mir. Was mir dabei aufgefallen ist, war ihre erstaunliche Kritiklosigkeit wenn es um die Realität ging.
„Verkürzt kann man also sagen, fragte ich in einem Gespräch, wenn die Menschen sich in einer entsprechend soziologisch programmierten Datenbank wie Nullen und Einsen verhalten würde, wäre die Welt in Ordnung?“ Mein Gegenüber, ein Datenbank- und KI-Spezialist lächte und lobte: „Sie haben das Optimum des Ganzen und unseren Bildungsauftrag hier verstanden.“
Leider habe ich damals nicht nachgehakt: was ist denn das Optimum des Ganzen?
Eine aktuelle Entwicklung hilft mir vielleicht dabei, das Optimum des Ganzen besser zu verstehen. Seit etwa zwei Jahren tauchen nach meiner Wahrnehmung Generatoren für Textbausteine auf. Zunehmend mit Hilfe der KI (künstliche Intelligenz) perfektioniert, kann man inzwischen anhand einiger weniger Wörter und entsprechenden Vorgaben, ganze Texte entstehen lassen. Was das im sozialen Miteinander für unsere schriftliche Kommunkation bedeutet, kann man sich einmal ganz in Ruhe durchdenken.
Wer weiterhin selbst schreiben möchte, dem wird man in wenigen Jahren in den Schreibprogrammen durch entsprechende Programmapplikationen (Apps) nicht nur die Rechtschreibung, sondern auch den individuellen Schreibstil verbessern.
Die hilfreichen und kostenlos arbeitenden Menschen auf dem Weg dahin sind die Spieler, die sich nicht beherrschen können und schon mal die kostenlos verfügbaren Quellen im Internet für ihre privaten Spielchen benutzen. Dass sie damit mit den Initiatoren dieser Seiten kommunizieren und deren KI-Aplikationen füttern, ist sowohl den Betreibern nur Recht und den Spielern offenbar egal.
Sie wollen doch nur spielen.
Jeder einzelne Mensch kann, wenns drauf ankommt, mehr als er sich selbst zutraut. Auch faszinierende Texte schreiben.
Wer die Fotografie anklickt, wird einen Steinbruch voller Möglichkeiten entdecken)
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